Berlin, 14.07.25 – Die bisherige Regenbogenfahne, die seit 17 Jahren regelmäßig vor dem Berliner Polizeipräsidium gehisst wurde, ist nun von einer anderen Fahne verdrängt worden. Erstmals wurde am 14.07.25 anlässlich der beginnenden Prideweeks die umstrittenen ‚Progress Pride Flag‘ gehisst. Dies führte während der Aktion zu einem offenen Widerspruch – und zu weiterem Unbehagen über die zunehmende Spaltung unserer Szenen.
Erstmals war am 26.06.2008 im Beisein des damaligen Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch die Regenbogenfahne vor dem Berliner Polizeipräsidium gehisst worden. Vorausgegangen war eine Entscheidung der Berliner Innensenatsverwaltung, dass anlässlich und unmittelbar vor dem Berliner CSD auch an Berliner Behörden Regenbogenflaggen gehisst werden durften. MANEO hatte daraufhin dem Polizeipräsidenten geschrieben – und zum genehmigten Termin eine große Regenbogenfahne mitgebracht.
In den folgenden Jahren wurde fortan regelmäßig anlässlich der bevorstehenden Pridesaison die Regenbogenflagge vor dem Polizeipräsidium gehisst, regelmäßig im Beisein der LSBTIQ+ Ansprechpersonen der Berliner Polizei, von Führungs- und weiteren Dienstkräften der Berliner Polizeibehörde und von MANEO, in den Folgejahren dann auch begleitet vom LSVD Berlin-Brandenburg und seit zwei Jahren auch von der Ansprechperson der Berliner Landesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Ansprechperson Queeres Berlin).
Als am letzten Montag traditionell die Vertreter*innen der Polizei, Ansprechperson Queeres Berlin, MANEO und LSVD Berlin-Brandenburg kurze Reden hielten, kam es zu einem Streit zwischen der Ansprechperson Queeres Berlin, Alfonso Pantisano, und der Vertreterin von MANEO, Seyran Ateş. Hintergrund war, dass nicht mehr die Regenbogenfahne, sondern die Progress Pride Flag (PPF) gehisst wurde. Alfonso Pantisano hatte seine Freude und Genugtuung darüber erklärt, dass nun erstmals die PPF vor dem Polizeipräsidium hängt, für die er sich immer stark gemacht habe, weil diese die gesamte Community repräsentieren würde.
Dem widersprach Syran Ateş und erntete dafür unter den versammelten 120 Teilnehmenden hörbaren Applaus. Die PPF repräsentiert nicht „die Community“, sondern nur einige. Sie ist Ausdruck einer Entwicklung, die unsere Szenen immer weiter spaltet. Unter der Regenbogenflagge konnten sich bislang alle wiederfinden, auch sie als Frauenrechtlerin, Kind mit Migrationsgeschichte und Bisexuelle, weil sie etwas Universelles repräsentiere, mit dem alle Menschen etwas verbinden können. Sie steht für Emanzipation und Bürgerrechtsgeschichte. Mit der PPF schieben sich nun einzelne Gruppen über alle anderen. Das Gemeinsame und Verbindende wird immer mehr verdrängt. Das Motiv versinnbildlicht den ideologischen Keil, der sich zwischen die einzelnen Gruppierungen in den Communities schiebt. Mit der Spaltung geht eine Entfernung von der Idee „Einheit in Vielfalt“ einher. Einzelne Gruppierungen (aktuell die Anhänger der PPF) setzen sich über andere Gruppen hinweg an die Spitze und feiern sich dabei, andere imaginierte Gruppen von der Spitze verjagt zu haben. Inszeniert wird ein interner Machkampf in den Szenen, der allen Teilgruppen der LSBTIQ+ -Communities mehr Schaden als Segen bringt.
Die PPF gibt es erst seit 2018. Sie zeigt einen Keil – aus den Farben der Transgender Fahne sowie einen schwarzen und braunen Streifen, die für den Antirassismus stehen – der sich in die Regenbogenfahne hineinschiebt. Im Jahr 2021 wurden diesem Keil noch Farben und das Symbol der Intersex-Fahne hinzugefügt.